Global Babies. The Global Fund for Children. Charlesbridge, 2007.
In diesem kleinen Pappbilderbuch werden auf acht Doppelseiten Babys aus aller Welt gezeigt. In dieser Reihenfolge trifft man auf Guatemala, Thailand, Grönland, Mali, USA, Indien, Südafrika, Fiji, Peru, Afghanistan, USA, Malawi, Spanien, Irak, Ruanda, Bhutan. Sie werden in traditioneller folkloristischer oder landestypischer Kleidung/Kopfbedeckung gezeigt. Mehrere Babys werden nah an einer/m Erwachsenen getragen. Manche schlafen, manche lachen, schauen ernst oder strecken die Zunge heraus. Man sieht also ein weites Spektrum nicht nur von Ethnien und Bekleidungen oder Trageformen, sondern auch von Gefühlen und Gesichtsausdrücken. Diese Vielfalt ist bewusst angestrebt und spiegelt sich im Text wider. Dieser ist ein einziger Satz, der sich über alle Seiten hinweg erstreckt: “Wherever they live, wherever they go, whatever they wear, whatever they feel, babies everywhere are beautiful, special and loved.” Dass die USA mit zwei Babys vertreten ist, erlaubt auf Vielfalt innerhalb des gleichen Landes anzusprechen. Denn natürlich sehen auch nicht alle Babys/Kinder/Menschen eines Landes gleich aus. Bei den beiden USA-Babys ist eines ein BIPOC-Kind. In einer länglichen Trage festgezurrt, die vertikal aufgestellt ist, sieht sie ihren Betrachter mit einem durchdringenden Blick an…
Das Tolle an diesem Mini-Bildband sind richtige Fotos und Nahaufnahmen zu haben. Diese schaffen eine große Nähe zu den Kleinen. Hervorzuheben ist auch, dass positive Gesichtsausdrücke nicht mit hellhäutigen Babys verbunden werden, was bei dem ein oder anderen Gefühlebuch für Babys leider der Fall ist. Ein einziger Wehrmutstropfen: Vielleicht hätte man von den 16 Babys auch zwei mit einer Behinderung darstellen können. Am besten dann von einem Land, das durch zwei Babys repräsentiert ist, damit keine bestimmten Zuschreibungen gemacht werden. Ich denke nicht, dass es „zuviel“ an Inhalt wäre, denn wenn man über Herkunft, Kleidung und Gefühle spricht, dann sind alle Kinder gemeint, Mädchen und Jungen mit und ohne Behinderung und es würde zur Normalisierung beitragen.
Das Büchlein ist für Babys gedacht, da sie gerne andere Babys sehen, und mit drei Monaten bereits Gesichter erkennen. Damit sie nicht nur Babys sehen, die ihren eigenen Merkmalen, bzw. denen ihrer Eltern oder Bezugspersonen, ähnlich sind, gibt es hier die „global babys“ als „joyful celebration of our global heritage“. Denn es ist positiv, wenn sie schon früh mit ganz unterschiedlichen Ausprägungen von Gesichtern, Kleidung, Ausdrücken etc. in Kontakt kommen.

Die verschiedenen Gefühlsausdrücke bieten auch Ratemöglichkeiten für ältere Kinder. Da die Zuordnung von Gefühlen, die über glücklich, traurig und wütend hinausgehen, oft etwas schwieriger ist, bietet es sich an, mit anderen Gefühlebüchern zu kombinieren– auch um Wortschatz zu üben. Wir haben ein tolles von Mies van Hout, eines vom Usborne Verlag und eine Montessori Gefühlebox, die leider viel zu wenig zum Einsatz kommt. Mit ganz einfachen Fragen und ohne Druck kann ich mir vorstellen, dass 4- und 5jährige zum Nachdenken angeregt werden. Außerdem kann man sich Geschichten oder Sequenzen ausdenken: Warum schaut das Mädchen so griesgrämig? Oft haben die Kleinen dann ganz tolle Ideen, sehen etwas Unentdecktes auf dem Bild oder verbinden es mit etwas, das sie selbst erlebt haben. Weiter bieten natürlich auch – ganz unserem Multikulti-Thema verpflichtet – die Bekleidungen (durchaus auch der ein oder andere interessante Kopfputz) und Trageformen auch Gesprächsanlässe für Kinder jenseits dem Pappbilderbuchalter.
Angeblich sollte man auch schon früh mit seinen Kindern über Rassismus sprechen. Man mag einwenden, dass viele dieser Angaben, Empfehlungen und Studien aus den USA stammen und US-amerikanische Zusammenhänge und Bedarfe abbilden. In den USA eskalieren Situationen durch die hohe Polizeigewalt und die liberalen Waffengesetze schneller und es kommt zu viel mehr Schußwechseln und Toten als in Deutschland. Dass davon systematisch mehr Schwarze betroffen sind und dass Schwarze Eltern ihren Kindern erklären müssen, wie sie sich in Situationen mit Polizisten verhalten müssen, um nicht erschossen zu werden, ist schrecklich und unvorstellbar. Doch auch in Deutschland werden Menschen aufgrund ihres Aussehens von der Polizei kontrolliert (und vielleicht mehr). Und auch in Deutschland sind die BürgerInnen, die nicht so aussehen wie die Mehrheit und/oder eine andere Muttersprache haben, tagtäglich mit rassistischen Strukturen oder Formulierungen konfrontiert. Dazu zwei Anekdoten: 1. Vor mehreren Jahren war mein Mann (Südamerikaner) mit einem (weißen) US-amerikanischen Freund in Deutschland und Frankreich unterwegs. Bei der Grenzkontrolle wurde bei dem Freund nur der Ausweis kontrolliert, mein Mann musste sein gesamtes Gepäck aus der Kofferaum holen und es wurde kontrolliert. Südamerikaner = Drogendealer – oder wie ist hier die Gleichung? Und 2. Ich war im Sommer 2020 mit einer anderen Kindergarten-Mama (nennen wir sie mal Queen J) auf dem Spielplatz und während unsere Kinder spielten, kamen nacheinander drei Kinder im Alter von 3 bis 12 Jahren und machten mehr oder weniger beleidigende Kommentare über ihre Hautfarbe. Ich fühlte mich als hätte mir ein Pferd ins Gesicht getreten und hätte mich am liebsten hinter die Parkbank fallen lassen. Ich habe mich so geschämt. Für diese Kinder und ihre Eltern, für Deutschland und für mich selbst, die ich unfähig war, etwas zu sagen. Der Witz der ganzen Sache: Queen J hat mehr Zeit ihres Lebens in Deutschland gelebt als ich und hat sich sogar bewusst für Deutschland entschieden!
Dagegen hilft nur, sich selbst zu informieren, sich selbst zu hinterfragen, selbst zu lernen und die Kinder besser ausgerüstet und bewusster in die Welt zu schicken. Und vielleicht, ganz vielleicht wird diese Welt irgendwann besser.
Bei der Organisation SOS-Kinderdörfer findet man folgende hilfreiche Fragen und Beispielantworten, um mit Kindern über Rassismus zu sprechen:
Was ist Rassismus?
Eine kindgerechte Erklärung könnte so aussehen: „Rassismus bedeutet, dass ich jemanden ablehne, gemein und unfreundlich bin, nur, weil er anders aussieht oder aus einer anderen Kultur kommt. Es spielt dabei keine Rolle, was er tut oder sagt. Ich interessiere mich nicht für seine Meinung oder seine Hobbys, es ist mir auch egal, ob er nett ist oder Humor hat. All das zählt nicht.“
Wie äußert sich Rassismus in unserem Alltag?
Überlegen Sie gemeinsam mit ihrem Kind, was in unserem Alltag rassistisch ist: Wenn jemand ausgeschlossen wird, weil er anders aussieht. Wenn niemand neben dem dunkelhäutigen Schüler sitzen möchte. Oder wenn einem Menschen anderer Herkunft dazu gratuliert wird, dass er gut Deutsch spricht. Vielleicht ist er ja hier aufgewachsen?
Wer Kindern Rassismus erklären will, muss sich auch selbst hinterfragen
Ein Gespräch mit den Kindern ist immer auch eine Chance, sich selbst auf die Schliche zu kommen und eigene Vorurteile zu entdecken: Bin ich wirklich so offen? Oder gibt es Situationen, in denen ich andere aufgrund ihrer Kultur oder Hautfarbe beurteile? Die Möglichkeit, dies zu verändern, besteht immer.
Kindern spielerisch begreifbar machen, wie die Welt aussieht
In vielen Kinderbüchern sind alle Jungen und Mädchen hellhäutig und unter den Buntstiften gilt ein blasses Rosa als Hautfarbe. Bringen Sie die Welt ins Kinderzimmer: Hautfarbe kann alles Mögliche sein, rosa, gelbbraun, dunkelbraun. Und jede Kultur hat wunderbare Geschichten zu bieten.
Welche Worte sollten Eltern ihren Kindern erklären?
Begriffliche Unterscheidungen wie „People of Color“, „Schwarze Person“ oder „farbig“ sind für Kinder nicht leicht zu verstehen. Deshalb: Erklären Sie Ihrem Kind, dass es nicht relevant ist, ob ein Mensch „Schwarz“ oder „Weiß“ ist. Warum sollte man einen Schwarzen Freund als Schwarzen Freund bezeichnen? Er kann einfach Theo sein, der zum Beispiel super Fußball spielt.
Was kann mein Kind gegen Rassismus tun?
Suchen Sie gemeinsam mit ihrem Kind nach Möglichkeiten zu handeln. Sich gegen Rassismus einzusetzen kann bedeuten, dass ich Stellung beziehe, wenn ein Mitschüler anderer Herkunft ausgegrenzt wird. Oder dass ich selbst mehr auf meine Sprache achte. All die kleinen Dinge machen einen Unterschied.
© Kathrin Schneider