Biblioburro. Una historia real de Colombia. Jeanette Winter. Aus dem Englischen von Susana Tornero. Editorial juventud, 2011. [2010]
Ich gebe zu, wir haben zuhause viel zu wenig spanischsprachige Kinderbücher! Die Stadtbibliothek hat nur wenige, beim online einkaufen kann man nicht richtig reinsehen und die Bewertungen sind unzuverlässig, oft gefallen mir die Illustrationen nicht oder das Buch kostet gleich 20€ … Umso glücklicher war ich, als ich herausfand, dass einige Bücher der englischsprachigen Autorin Jeanette Winter ins Spanische übersetzt wurden und eines davon auch noch eine wahre Geschichte aus Kolumbien ist. Jackpot! Kolumbien liegt im Norden von Ecuador und die beiden Länder haben in Natur und Kultur viele Gemeinsamkeiten.
Jeanette Winter (*1939) ist eine bekanntere Autorin, die viele Kinderbücher geschrieben hat, unter anderem mehrere wahre Geschichten und mehrere Geschichten über starke Frauen, u.a. über Jane Goodall, Venus und Serena Williams oder Zaha Hadid. Eine ihrer „A true story from …“ (Eine wahre Geschichte aus …) handelt von einer Bibliothekarin in Bagdad, die zu Kriegszeiten alle ihre Bücher rettete, eine andere von Wangari Maathai, einer Umweltaktivistin aus Kenia und eine über ein Mädchen in Afghanistan, das nach dem Verschwinden ihrer Eltern auf eine geheime Schule für Mädchen gehen darf. Winter hat 2019 auch ein Buch über Greta Thunberg herausgebracht, welches auf Deutsch erschienen ist (Knesebeck Verlag) – ihre anderen Bücher leider nicht. Es ist sehr interessant, dass Winter in ihren Büchern besonders gern Geschichten erzählt, die tatsächlich passiert sind. Es geht dann um Menschen (viele Frauen), die Erstaunliches geleistet oder erreicht haben. Es ist sicherlich ermutigend und inspirierend für Kinder, diese Vorbilder zu haben. Die Geschichte vom „Biblioburro“ ist witzigerweise eines der wenigen Bücher von Jeanette Winter, das von einem männlichen Protagonisten erzählt.
Die Geschichte vom „biblioburro“ ist schnell erzählt: Luis lebt in einem Dorf im ländlichen Kolumbien und scheint nichts anderes zu tun als Bücher zu lesen. Seine Frau Diana ist besorgt: „¿Que vamos a hacer? ¿Comer libros con arroz?” („Was werden wir nur tun? Bücher mit Reis essen?”) Luis hat dann die Idee, eine fahrende Bibliothek zu eröffnen, um Kindern in weit abgelegenen Ortschaften Bücher zu bringen. Er kauft zwei Esel (Alfa und Beto) und baut vier Holzkästen, die seine Frau mit Büchern befüllt und die an die Seiten der Esel geschnallt werden. Darauf schreibt er „biblioburro“ (Eselsbibliothek/Bücheresel). Von seiner Mission, Kindern Bücher zugänglich zu machen, lässt Luis sich nicht abbringen: nicht von störrischen Eseln, reißenden Flüssen, Banditen oder der sengenden Hitze. Den Kindern liest er dann das Märchen von den drei Schweinchen vor, danach suchen sie sich ein Buch aus und gehen nach Hause. Luis, Alfa und Beto gehen dann auch nach Hause, über Berge, Felder und Flüsse. Zuhause gibt er seinen Eseln zu essen, dann gibt Diana ihm zu essen. („Diana sirve la cena a su marido.” / „Diana serviert ihrem Ehemann das Abendessen“ lässt einen dann doch kurz stocken … man kann ja umformulieren!) Als Diana schon schläft liest Luis in seinem Buch, während weit weg in den Bergen die Kinder in ihren Häusern ebenfalls Luis´ Bücher lesen. Sie alle lesen unter dem gleichen Sternenhimmel.

Am Ende des Buches gibt die Autorin ein paar Informationen über den realen Luis Soriano, einen Grundschullehrer aus La Gloria, der im Jahr 2000 begann, seine Bibliothek mit den Erwachsenen und Kindern seiner Umgebung zu teilen. Er wollte seine Leseleidenschaft weitergeben, da er die Macht der Bücher erlebt hatte und wusste, dass sie Menschen verändern können.
Die Bilder im Buch sind kindgerecht und farblich sehr ansprechend. Das ist natürlich Geschmackssache, aber es wird auf jeden Fall „südamerikanisches Flair“ vermittelt: satte Farben, viel Grün, … Die Illustrationen sind, wie im letzten vorgestellten Buch „Last Stop on Market Street“, zweidimensional und vereinfacht in den Formen. Auf diese Weise vermitteln sie etwas kindliches, was den Reiz an der Geschichte jedoch nur vergrößert. Während „Last Stop on Market Street“ in einer nordamerikanischen Großstadt spielte, befinden wir uns hier im südamerikanischen Regenwald. Die Pflanzen wuchern in den tollsten Formen von unten und oben, von links und rechts. Und es wimmelt nur so vor Tieren: Tukane, Schmetterlinge, Schlangen, Raupen, Papageien …
Insgesamt gibt es wenig Text, etwa 1 bis 2 Sätze pro Seite – es ist also schnell durchgelesen (Abends durchaus von Vorteil!), gibt aber storymäßig für 4jährige schon nicht mehr so viel her. Es fehlt ein bisschen das Identifikationspotenzial mit einem 40jährigen Mann, der Kindern Bücher bringt … ich denke, die Botschaft der Geschichte können sie erst später wirklich verstehen. Vielleicht können sie dann die Geschichte trotz ihrer Kürze immer noch wertschätzen. Bis jetzt können sie die Bilder genießen, Spanisch hören und das Land Kolumbien langsam Gestalt werden lassen.
©Kathrin Schneider